18. Über 1 Milliarde Menschen in der Welt leben heute unter untragbaren Bedingungen der Armut, zumeist in den Entwicklungsländern und insbesondere in den ländlichen Gebieten der Länder mit niedrigem Einkommen in Asien, dem pazifischen Raum, Afrika, Lateinamerika und der Karibik sowie in den am wenigsten entwickelten Ländern.
19. Armut hat vielfältige Erscheinungsformen; zu ihnen gehören das Fehlen von ausreichenden Einkommen und Produktivressourcen, um auf Dauer den Lebensunterhalt bestreiten zu können; Hunger und Mangelernährung; ein schlechter Gesundheitszustand; begrenzter oder fehlender Zugang zu Bildung und anderen Grunddiensten; erhöhte Morbidität und Mortalität aufgrund von Krankheiten; Obdachlosigkeit und menschenunwürdige Unterkünfte; eine unsichere Umwelt sowie soziale Diskriminierung und Ausgrenzung. Ein weiteres Merkmal ist die mangelnde Beteiligung an den Entscheidungsprozessen und am bürgerlichen, sozialen und kulturellen Leben. Armut tritt in allen Ländern auf: als massenhafte Armut in vielen Entwicklungsländern, in Form vereinzelter Armutsherde inmitten des Wohlstands in den entwickelten Ländern, als Verlust der Existenzgrundlage infolge einer Wirtschaftsrezession, als plötzliche Verarmung infolge von Katastrophen oder Konflikten, als Armut von Arbeitern mit niedrigen Löhnen und als absolutes Elend bei Menschen, die keinerlei Unterstützung durch die Familie, durch soziale Einrichtungen und soziale Netze erhalten. Frauen tragen zu einem unverhältnismäßig hohen Anteil die Last der Armut, und Kinder, die in Armut aufwachsen, sind häufig auf Dauer benachteiligt. Ältere Menschen, Behinderte, Angehörige autochthoner Bevölkerungsgruppen, Flüchtlinge und Binnenvertriebene sind ebenfalls besonders armutsanfällig. Außerdem behindern die verschiedenen Formen der Armut die Kommunikation und den Zugang zu Dienstleistungen und stellen eine beträchtliche Gesundheitsgefährdung dar, und die Menschen, die in Armut leben, sind für die Folgen von Katastrophen und Konflikten besonders anfällig. Absolute Armut ist durch schwerste Entbehrungen gekennzeichnet, was die Deckung der menschlichen Grundbedürfnisse angeht, so auch auf den Gebieten Ernährung, hygienisches Trinkwasser, Abwasserhygiene und Abfallbeseitigung, Gesundheit, Wohnungswesen, Bildung und Information. Sie hängt nicht nur von der Höhe des Einkommens ab, sondern auch vom Zugang zu sozialen Diensten.
20. Es besteht allgemeine Übereinstimmung dahin gehend, daß hartnäckige weitverbreitete Armut sowie gravierende soziale und geschlechtsbedingte Ungleichheiten die demographischen Rahmenbedingungen wie Bevölkerungswachstum, -struktur und -verteilung maßgeblich beeinflussen und ihrerseits von diesen beeinflußt werden. Es besteht außerdem allgemeine Übereinstimmung dahin gehend, daß nicht aufrechterhaltbare Konsum- und Produktionsweisen zu einer nicht aufrechterhaltbaren Nutzung der natürlichen Ressourcen, zu Umweltzerstörung sowie zur Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeiten und der Armut beitragen, mit den oben geschilderten Folgen für die demographischen Rahmenbedingungen.
21. Mit der weltweiten Verstädterung nimmt auch die Armut in den Städten rasch zu. Es handelt sich dabei um ein Phänomen, das sich in allen Ländern und Regionen in immer größerem Umfang beobachten läßt und häufig besondere Probleme mit sich bringt, wie Überbevölkerung, verunreinigtes Wasser und schlechte Abwasserhygiene und Abfallbeseitigung, prekäre Wohnbedingungen, Kriminalität und weitere soziale Probleme. In mehr und mehr städtischen Haushalten mit niedrigen Einkommen bestreiten Frauen den Unterhalt.
22. Unter den in Armut lebenden Menschen sind geschlechtsbedingte Disparitäten besonders ausgeprägt, was insbesondere an der Zunahme der Haushalte ersichtlich ist, in denen Frauen den Unterhalt bestreiten. Mit zunehmendem Bevölkerungswachstum wird auch die Zahl der in Armut lebenden Jugendlichen erheblich ansteigen. Dieser Entwicklung, daß immer mehr junge Menschen und immer mehr Frauen von Armut betroffen sind, muß daher durch gezielte Maßnahmen entgegengewirkt werden.
23. Armut hat verschiedene Ursachen, darunter auch strukturbedingte. Armut ist ein komplexes mehrdimensionales Problem, dessen Ursachen sowohl auf nationalem als auch auf internationalem Gebiet zu suchen sind. Eine weltweit anwendbare Einheitslösung gibt es nicht. Ausschlaggebend für die Lösung dieses Problems sind vielmehr auf die einzelnen Länder zugeschnittene Programme zur Armutsbekämpfung und internationale Anstrengungen zur Unterstützung der einzelstaatlichen Bemühungen sowie der parallel verlaufende Prozeß der Schaffung eines günstigen internationalen Umfelds. Das Phänomen der Armut ist untrennbar verknüpft mit mangelnder Verfügungsgewalt über Ressourcen, wozu auch Grund und Boden, Fachkenntnisse, Wissen, Kapital und soziale Beziehungen gehören. Menschen, die über diese Ressourcen nicht verfügen, werden von den politischen Entscheidungsträgern leicht vernachlässigt und haben nur begrenzten Zugang zu Institutionen, Märkten, Beschäftigung und öffentlichen Dienstleistungen. Armut läßt sich nicht durch Programme zur Armutsbekämpfung allein beseitigen; es gilt vielmehr, eine demokratische Teilhabe und einen Wandel in den wirtschaftlichen Strukturen herbeizuführen, um sicherzustellen, daß alle Menschen Zugang zu Ressourcen, Chancen und öffentlichen Dienstleistungen haben, Politiken durchzuführen, die auf eine gleichmäßigere Wohlstands- und Einkommensverteilung abstellen, ferner für alle, die nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können, eine soziale Sicherung zu schaffen, und Menschen behilflich zu sein, die sich unvorhergesehenen Katastrophen gegenübersehen, gleichgültig, ob es sich dabei um persönliche oder kollektive, natürliche, soziale oder technische Katastrophen handelt.
24. Die Beseitigung der Armut erfordert den Zugang aller Menschen zu wirtschaftlichen Chancen, wodurch ein dauerhafter Erwerb des Lebensunterhalts und der Zugang zu grundlegenden sozialen Diensten gefördert wird, sowie besondere Bemühungen, Benachteiligten den Zugang zu Chancen und Dienstleistungen zu erleichtern. In Armut lebende Menschen und schwächere Gesellschaftsgruppen müssen durch eine entsprechende Organisation und durch Partizipation an allen Aspekten des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens, insbesondere an der Planung und Umsetzung der sie betreffenden Politiken, zur Selbstbestimmung befähigt werden, so daß sie in der Lage sind, echte Entwicklungspartner zu werden.
25. Dringend geboten sind daher
einzelstaatliche Strategien zur erheblichen Verringerung der Armut insgesamt, namentlich auch Maßnahmen zur Beseitigung der strukturbedingten Hindernisse, die es den Menschen unmöglich machen, sich aus der Armut zu befreien, mit konkreten, termingebundenen Verpflichtungen zur Beseitigung der absoluten Armut innerhalb einer Frist, die von jedem Land in seinem nationalen Kontext festzulegen ist;
eine stärkere internationale Zusammenarbeit und die Unterstützung von internationalen Institutionen, mit dem Ziel, den Ländern bei ihren Bemühungen um die Beseitigung der Armut und die Bereitstellung eines grundlegenden sozialen Schutzes und grundlegender sozialer Dienste behilflich zu sein;
die Entwicklung von Methoden zur Messung aller Formen der Armut, insbesondere der absoluten Armut, und zur Erfassung und Überwachung der Lebensumstände gefährdeter Gruppen im einzelstaatlichen Kontext;
eine regelmäßige einzelstaatliche Überprüfung der Wirtschaftspolitik und der staatlichen Haushalte, mit dem Ziel, sie auf die Beseitigung der Armut und den Abbau von Ungleichheiten auszurichten;
ein größeres Chancenangebot, um es den in Armut lebenden Menschen zu ermöglichen, ihre Fähigkeiten insgesamt auszubauen und ihre wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zu verbessern und dabei gleichzeitig die Ressourcen auf bestandfähige Weise zu bewirtschaften;
die Erschließung der Humanressourcen und verbesserte Infrastruktureinrichtungen;
eine umfassende Deckung der Grundbedürfnisse aller Menschen;
Politiken, die gewährleisten, daß alle Menschen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Mutterschaft, Behinderung und im Alter wirtschaftlich und sozial ausreichend abgesichert sind;
Politiken, die die Familie stärken und zu ihrer Stabilität beitragen, im Einklang mit den in der Kopenhagener Erklärung über soziale Entwicklung und im Aktionsprogramm der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung11 enthaltenen Grundsätzen, Zielen und Verpflichtungen;
die Mobilisierung des öffentlichen und des privaten Sektors sowie von weiter entwickelten Gebieten, schulischen und akademischen Einrichtungen und nichtstaatlichen Organisationen zur Unterstützung der von Armut betroffenen Gebiete.
A. Ausarbeitung ganzheitlicher Strategien
26. Die Regierungen sollen stärkeres Gewicht auf staatliche Maßnahmen zur Beseitigung der absoluten Armut und zur erheblichen Verringerung der Armut insgesamt legen. Hierzu sollen sie
a) ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, im Kontext einer bestandfähigen Entwicklung, und den sozialen Fortschritt fördern, wobei das Wachstum auf breiter Grundlage erfolgen und allen Menschen gleiche Chancen bieten muß. Alle Länder sollen anerkennen, daß ihnen gemeinsame, aber dennoch unterschiedliche Verantwortlichkeiten zufallen. Die entwickelten Länder anerkennen die Verantwortung, die ihnen im Rahmen der internationalen Bemühungen um eine bestandfähige Entwicklung zukommt, und sollen sich immer stärker darum bemühen, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern und Ungleichgewichte auszugleichen, auf eine Weise, daß alle Länder, insbesondere die Entwicklungsländer, Nutzen daraus ziehen können;
b) vorzugsweise bis 1996 einzelstaatliche Pläne zur Beseitigung der Armut aufstellen beziehungsweise ausbauen, die an die strukturellen Ursachen der Armut herangehen und Maßnahmen auf lokaler, nationaler, subregionaler, regionaler und internationaler Ebene einschließen. Aus diesen Plänen sollen im Rahmen des jeweiligen einzelstaatlichen Kontexts Strategien und erreichbare, termingebundene Ziele und Zielwerte für die erhebliche Verringerung der Gesamtarmut und die Beseitigung der absoluten Armut hervorgehen. Im Rahmen der einzelstaatlichen Pläne gilt es, besonders danach zu trachten, als Mittel zur Beseitigung der Armut Arbeitsplätze zu schaffen, dem Gesundheits- und Bildungswesen entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, grundlegenden sozialen Diensten höheren Vorrang einzuräumen, für die Haushalte Einkommen zu schaffen und den Zugang zu Produktivvermögen und wirtschaftlichen Chancen zu fördern;
c) die Systeme zum Erwerb des Lebensunterhalts, die Überlebensstrategien und die Selbsthilfeorganisationen der in Armut lebenden Menschen ermitteln und in Zusammenarbeit mit diesen Organisationen Programme zur Armutsbekämpfung entwickeln, die auf ihren Bemühungen aufbauen, die volle Beteiligung der Betroffenen sicherstellen und ihren tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen;
d) auf nationaler Ebene die Maßeinheiten, Kriterien und Indikatoren zur Bestimmung des Ausmaßes und der Verteilung der absoluten Armut erarbeiten. Jedes Land soll, vorzugsweise bis 1996, dem Internationalen Jahr für die Beseitigung der Armut12, eine genaue Definition und Bewertung der absoluten Armut erarbeiten;
e) Politiken, Zielsetzungen und meßbare Zielvorgaben zur Verbesserung und Erweiterung der wirtschaftlichen Chancen der Frauen und ihres Zugangs zu Produktivressourcen erarbeiten, insbesondere für Frauen, die über keine Einkommensquelle verfügen;
f) die wirksame Wahrnehmung der bürgerlichen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rechte durch alle Menschen und den Zugang zu den vorhandenen Systemen der sozialen Sicherung und zu öffentlichen Dienstleistungen fördern, insbesondere durch ihr Eintreten für die Ratifikation und die Gewährleistung der vollinhaltlichen Durchführung der einschlägigen Menschenrechtsinstrumente, wie des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte13 und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte13;
g) die Ungerechtigkeiten und Hindernisse beseitigen, die sich Frauen entgegenstellen, und die Teilhabe von Frauen an der Entscheidungsfindung und -umsetzung sowie ihren Zugang zu Produktivressourcen und Eigentum an Grund und Boden und ihr Recht auf Erbschaft fördern und stärken;
h) kommunale Entwicklungsprojekte fördern und unterstützen, welche die Fähigkeiten, die Eigenständigkeit und das Selbstvertrauen der in Armut lebenden Menschen erhöhen und ihre aktive Mitwirkung an den Bemühungen um die Beseitigung der Armut erleichtern.
27. Die Regierungen werden nachdrücklich gebeten, Ziele und Zielwerte für die Armutsbekämpfung in ihre allgemeine Wirtschafts- und Sozialpolitik und -planung auf lokaler, nationaler und gegebenenfalls regionaler Ebene zu integrieren, indem sie
a) die Politiken und Programme, insbesondere soweit sie die makroökonomische Stabilität, Strukturanpassungsprogramme, die Besteuerung, Investitionen, die Beschäftigung, die Märkte und alle wichtigen Wirtschaftssektoren betreffen, unter dem Gesichtspunkt ihrer Auswirkungen auf Armut und Ungleichheit analysieren, ihre Auswirkungen auf das Wohlergehen und die Lebensbedingungen der Familien sowie ihre geschlechtsspezifischen Implikationen bewerten und sie je nach Bedarf anpassen, um eine gleichmäßigere Verteilung des Produktivvermögens, des Wohlstands, der Chancen, der Einkommen und der Dienstleistungen zu fördern;
b) die öffentliche Investitionspolitik betreffend die Infrastrukturentwicklung, die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und die Erschließung der Humanressourcen so gestalten, daß sie den in Armut lebenden Menschen zugute kommt und daß sie mit einer langfristigen Verbesserung der Existenzgrundlagen vereinbar ist;
c) sicherstellen, daß die Entwicklungspolitik den Gemeinwesen mit niedrigen Einkommen zugute kommt und die ländliche und landwirtschaftliche Entwicklung fördert;
d) sich wo immer möglich für Entwicklungspläne entscheiden, die nicht zur Verdrängung der örtlichen Bevölkerung führen, und einen geeigneten grundsatzpolitischen und rechtlichen Rahmen schaffen, um die dennoch verdrängten Menschen für ihre Verluste zu entschädigen, ihnen beim Wiederaufbau ihrer Existenzgrundlagen behilflich zu sein und dazu beizutragen, daß sie die Zerrüttung ihres sozialen und kulturellen Lebens überwinden;
e) Maßnahmen zum Umweltschutz und zur Ressourcenbewirtschaftung entwickeln und umsetzen, welche die in Armut lebenden Menschen und die schwächeren Gesellschaftsgruppen berücksichtigen, im Einklang mit der Agenda 21 und den verschiedenen Übereinkünften und Aktionsprogrammen, die im Anschluß an die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Konsensverfahren verabschiedet wurden;
f) in Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Gesellschaft, namentlich auch dem Privatsektor, Mechanismen zur Koordinierung der Armutsbekämpfung einrichten beziehungsweise stärken und hierfür integrierte sektorübergreifende und gesamtstaatliche Maßnahmen entwickeln.
28. Die in Armut lebenden Menschen und ihre Organisationen sollen zur Selbstbestimmung befähigt werden. Hierzu ist es erforderlich,
a) sie voll in die Festlegung von Zielwerten und in die Erarbeitung, Umsetzung, Überwachung und Bewertung einzelstaatlicher Strategien und Programme zur Armutsbeseitigung und für eine gemeinwesengestützte Entwicklung einzubeziehen und sicherzustellen, daß diese Programme ihren Prioritäten entsprechen;
b) bei der Planung und Durchführung von Politiken und Programmen, die Frauen zur Selbstbestimmung befähigen sollen, den Problemen und Bedürfnissen der Frau Rechnung zu tragen;
c) sicherzustellen, daß Politiken und Programme, die in Armut lebende Menschen betreffen, deren Würde und Kultur achten und sich ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und ihren Einfallsreichtum voll zunutze machen;
d) die Bildung auf allen Stufen zu verbessern und den in Armut lebenden Menschen Zugang zu Bildung zu verschaffen, insbesondere zu einer Grundschulbildung und anderen grundlegenden Bildungsmöglichkeiten;
e) die in Armut lebenden Menschen anzuregen, sich zu organisieren, und ihnen dabei behilflich zu sein, damit ihre Vertreter an der Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialpolitik mitwirken und wirksamer mit staatlichen, nichtstaatlichen und anderen in Frage kommenden Einrichtungen zusammenarbeiten und sich so die Dienstleistungen und Chancen verschaffen können, die sie benötigen;
f) besonderes Gewicht auf den Aufbau von Kapazitäten und eine gemeinwesengestützte Verwaltung zu legen;
g) die Menschen über ihre Rechte, das politische System und die Verfügbarkeit von Programmen aufzuklären.
29. Es ist notwendig, den Vollzug von Plänen zur Beseitigung der Armut in regelmäßigen Abständen zu überwachen und zu bewerten und Informationen darüber auszutauschen, Politiken zur Armutsbekämpfung zu bewerten und die Öffentlichkeit über die Armut und ihre Ursachen und Folgen aufzuklären und dafür zu sensibilisieren. Dies könnte unter anderem dadurch geschehen, daß die Regierungen
a) spezifische, einvernehmliche, nach Geschlechtszugehörigkeit aufgeschlüsselte Indikatoren der Armut und Sozialschwäche unter Einbeziehung von Einkommen, Wohlstand, Ernährung, körperlicher und geistiger Gesundheit, Bildung, Alphabetisierung, familiären Bedingungen, Arbeitslosigkeit, sozialer Ausgrenzung und Isolierung, Obdachlosigkeit, mangelndem Eigentum an Grund und Boden und anderen Faktoren sowie ferner Indikatoren der Armutsursachen auf nationaler und internationaler Ebene entwickeln, aktualisieren und verbreiten; zu diesem Zweck sollen sie umfassende und vergleichbare Daten sammeln, die nach ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Familienstand, Sprachgruppen, Regionen und wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sektoren aufgeschlüsselt sind;
b) die Verwirklichung der Ziele und Zielwerte überwachen und bewerten, die in internationalen Foren auf dem Gebiet der sozialen Entwicklung vereinbart worden sind; die Veränderungen im Ausmaß der Armut, das Fortbestehen von Armut und die Anfälligkeit für Armut in quantitativer und qualitativer Hinsicht bewerten, insbesondere was die Höhe der Haushaltseinkommen und den Zugang zu Ressourcen und Dienstleistungen angeht; und die Wirksamkeit von Strategien zur Armutsbeseitigung bewerten, unter Zugrundelegung der Prioritäten und Auffassungen von Haushalten, die in Armut leben, und von Gemeinwesen mit niedrigen Einkommen;
c) die internationalen Datenerhebungs- und Statistiksysteme ausbauen, um den Ländern bei der Überwachung ihrer Zielsetzungen auf dem Gebiet der sozialen Entwicklung behilflich zu sein, und die Erweiterung internationaler Datenbanken fördern mit dem Ziel, für die Gesellschaft nutzbringende Tätigkeiten einzubeziehen, die in den verfügbaren Daten nicht erfaßt werden, wie etwa die unbezahlte Arbeit von Frauen und ihre Beiträge zur Gesellschaft, zur informellen Wirtschaft und zur Sicherung des Lebensunterhalts;
d) Bewußtseinsbildung betreiben, insbesondere durch Bildungseinrichtungen, nichtstaatliche Organisationen und die Medien, um es der Gesellschaft zu ermöglichen, den Kampf gegen die Armut zur Priorität zu machen, und dabei die Aufmerksamkeit auf Fortschritte beziehungsweise Fehlschläge bei den Bemühungen um die Erreichung der festgelegten Ziele und Zielwerte zu konzentrieren;
e) die Ressourcen der Universitäten und Forschungseinrichtungen heranziehen, um zu einem besseren Verständnis der Ursachen von Armut wie auch möglicher Lösungen sowie der Auswirkungen von Strukturanpassungsmaßnahmen auf in Armut lebende Menschen und der Wirksamkeit von Strategien und Programmen zur Armutsbekämpfung zu gelangen, die sozialwissenschaftlichen Forschungskapazitäten in den Entwicklungsländern ausbauen und die Forschungsergebnisse nach Bedarf in den Entscheidungsprozeß einbeziehen;
f) den Wissens- und Erfahrungsaustausch, insbesondere zwischen den Entwicklungsländern, erleichtern und fördern, unter anderem durch subregionale und regionale Organisationen.
30. Die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft sollen durch bilaterale oder multilaterale Organisationen ein Umfeld schaffen, das die Armutsbeseitigung begünstigt. Hierzu sollen sie
a) die Politiken und Programme zur Unterstützung der Maßnahmen koordinieren, die in den Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika und den am wenigsten entwickelten Ländern, mit dem Ziel ergriffen werden, die Armut zu beseitigen, Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen und die soziale Integration zu stärken, um die grundlegenden Ziele und Zielwerte der sozialen Entwicklung zu verwirklichen;
b) die internationale Zusammenarbeit fördern, um den Entwicklungsländern auf Ersuchen bei den Bemühungen behilflich zu sein, die sie insbesondere auf Gemeinwesenebene im Hinblick auf die Gleichstellung von Mann und Frau und die Befähigung der Frau zur Selbstbestimmung unternehmen;
c) die Kapazität der Entwicklungsländer stärken, die bei der Durchführung einzelstaatlicher Pläne zur Armutsbeseitigung erzielten Fortschritte zu überwachen und die Auswirkungen nationaler und internationaler Politiken und Programme auf die in Armut lebenden Menschen zu bewerten und etwaige negative Auswirkungen zu beheben;
d) die Kapazität der Umbruchländer stärken, ihre Systeme der sozialen Sicherung und ihre Sozialpolitiken auszubauen, unter anderem zur Verminderung der Armut;
e) sich den besonderen Bedürfnissen der kleinen Inselstaaten unter den Entwicklungsländern zuwenden, was die Beseitigung der Armut und die Verwirklichung der diesbezüglichen Ziele und Zielwerte im Kontext von Programmen der sozialen Entwicklung angeht, die ihren einzelstaatlichen Prioritäten Rechnung tragen;
f) sich den Problemen der Binnenstaaten unter den Entwicklungsländern bei der Armutsbeseitigung zuwenden und ihre Bemühungen zur sozialen Entwicklung unterstützen;
g) durch Konflikte zerrüttete Gesellschaften bei ihren Bemühungen um den Wiederaufbau ihrer Systeme der sozialen Sicherung und um die Armutsbeseitigung unterstützen.
Anfang der Seite Top of page |
Nächster Abschnitt Next section |